INTERVIEW mit Christopher Kloeble

Heute gebe ich euch einen Einblick in mein Gespräch mit dem Autor von "Die unsterbliche Familie Salz", Christopher Kloeble.
Getroffen habe ich Ihn bei seiner Lesung am 10.05. in Dormagen, NRW und habe dank des dtv-Verlags die Möglichkeit bekommen im vorher ein paar Fragen zu stellen.

Mein Dank gilt an dieser Stelle Herrn Kloeble selber dafür, dass er sich Zeit für mich genommen hat und Frau Broller vom dtv-Verlag, die dieses Treffen erst möglich gemacht hat!

Und jetzt viel Spaß beim Interview:





Sind Sie vor Lesungen noch aufgeregt, oder ist das mittlerweile Routine?

Routine in einer gewissen Weise, dass man weiß, es wird schon Alles gut gehen. Man ist nicht mehr so nervös, wie beim ersten Buch, aber trotzdem ist es gleichzeitig so, dass man immer vor jeder Lesung ein bisschen angespannt ist. Aber das ist ja auch gesund, weil wenn man zu entspannt ist macht man die Sache auch nicht so gut.

Bereiten Sie sich noch auf die Lesungen vor, oder geht Ihnen das so von der Hand?

Wenn ein neues Buch erscheint, dann am Anfang schon, insofern, dass ich das ein bisschen übe, dass ich es einfach auch ein paar Mal gelesen habe. Das schlimmste sind immer Lesungen, wo man hingeht und sich denkt "der Autor hätte es auch schon mal lesen können vorher". Wenn er undeutlich liest oder über seine eigenen Worte stolpert, das finde ich immer etwas blöd. Und wahrscheinlich wird mir jetzt genau das passieren (lacht). Aber das mache ich schon ein bisschen und auch, dass ich überlege was jetzt Sinn macht und da auch andere Leute frage was sie denken, was da interessant wäre. Das schwierigste - finde ich- ist immer rauszusuchen was man liest, was nur ein kurzer Ausschnitt sein sollte, aber trotzdem repräsentativ für das ganze Buch ist. Je größer und umfangreicher das Buch ist, desto schwieriger wird es, weil man als Autor immer möchte, dass es möglichst alles widerspiegelt, was im Buch ist und das ist einfach nicht möglich. Insofern finde ich es immer schwieriger und unfairer, weil ich einen Teil aussuche und der Andere dafür ganz weg fällt. Man kann es ja auch nicht ganz wiedergeben.

Wenn Sie das jetzt so sagen, würde mich natürlich interessieren: wie machen Sie das denn bei dem Buch? Das ist so umfangreich und ich kann mir vorstellen, dass das dadurch ganz schön schwierig ist.

Ja, es ist auf jeden Fall schwieriger als bei einem Buch, wo man nur eine Hauptfigur hat und der Seitenumfang weniger ist. Heute Abend ist es ein bisschen speziell, weil ich schon vorher informiert wurde, dass es hier einen Literaturkreis gibt und die meisten das Buch gelesen haben, die heute da sind. Das heißt, dass ich nicht so viel erklären muss und auch nicht so viel lesen muss, sondern man kann mehr über das Buch reden. Was sehr dankbar ist, denn das hast du normalerweise nur, wenn du ein sehr erfolgreiches Buch hast oder sehr berühmt bist. Von daher ist das wirklich sehr dankbar. Normalerweise versuche ich mich auf ein Kernelement zu konzentrieren, also ich konzentriere mich ein bisschen mehr auf eine Figur und lese drei verschiedene Auszüge aus dem Buch, die immer mit der einen Figur zu tun haben, damit man so ein gewisses Gefühl kriegt und versuche auch was zu erzählen, aber es ist auf alle Fälle sehr viel schwieriger. Es ist ja wie wenn man einen Trailer für einen Film guckt, welche paar Sekunden zieht man da raus, damit man das Gefühl hat man weiß wie der Film funktioniert. Das ist ja auch wieder eine Kunst für sich und das ist gar nicht so leicht.

Das kann ich mir vorstellen. Dann bleiben wir doch einfach bei dem Buch, woher kam denn die Idee? Weil ich finde das spannend mit der Familiengeschichte und ist das frei erfunden oder ist das irgendwo angelehnt?

Es ist schon beides, also in der Hinsicht, dass je weiter es zeitlich zurück liegt im Buch desto mehr es ist an die Realität angelehnt und je mehr es sich der Gegenwart annähert desto mehr ist es frei erfunden, wobei auch bei der Vergangenheit viele Sachen frei erfunden sind. Ich werde auch immer wieder gefragt wie viel davon ist biographisch bzw. familiär, aber wie genau kann man das schon sagen, so 67,34%. Es ist auf jeden Fall so, dass es gewisse Fundamente gibt, die tatsächlich ähnlich sind zu meiner Familiengeschichte. Also, zum Beispiel war mein Urgroßvater tatsächlich mal der Pächter vom Löwenbräukeller und wurde dann später auch der Besitzer vom Fürstenhof. Wie dann die genaue Dynamik in der Familie war und wie das Alles verlaufen ist, ist dann zum Teil ein bisschen hinzugedichtet oder vielleicht entspricht es auch der Wahrheit. Aber insgesamt ist es so, wie es tatsächlich gewesen ist: es gibt diesen Fürstenhof, der war tatsächlich mal Familienbesitz, der ist dann auch enteignet worden von der DDR, ist dann auch später in die Familie zurückgefallen, die ihn dann aber sehr bald verkauft hat. Also da gibt es gewisse Sachen, die schon parallel sind. Zu den Figuren, was die einzelnen Geschichten angeht, die Schicksale, die sie durchgemacht haben, das ist oft frei erfunden und so, dass es auch in die Geschichte passt.

Das erklärt für mich auch so ein bisschen den Schreibstil. Ich finde den Schreibstil sehr interessant, weil man wirklich teilweise das Gefühl hat als würde es einem erzählt, von jemandem, der das erlebt hat.

Das war natürlich auch so ein bisschen die Idee, dass man verschiedene Stimmen hört und jede Stimme soll auch ein bisschen zu der Zeit passen, auch wenn es manchmal rückblickend erzählt wird. Die meiste Zeit sind es ja Ich-Erzähler und das war auch so ein bisschen die Schwierigkeit beim Schreiben. Ich dachte, ja super jetzt bin ich mit dem einen Teil fertig, jetzt kann ich mit dem Nächsten anfangen und über eine andere Figur erzählen, aber dann erst mal wieder den Ton zu finden für diese neue Figur, das war dann doch sehr viel Arbeit sich da neu reinzufinden, weil die Figur aus dem Teil davor noch sehr dominant war in meinem Kopf und das sich lösen von dieser einen Figur und sich auf die neue Figur einzulassen, das hat immer so ein bisschen gedauert. Aber es war schon die Idee, dass man mit jeder Zeit und mit jeder Geschichte, die erzählt wird seinen eigenen Ton und seine eigene Farbe verbindet, die anders ist als die davor und danach.

Das ist Ihnen auf jeden Fall gelungen! Jetzt aber mal eher allgemeiner, in dem Buch sind ja ziemlich zerrüttete Familienverhältnisse, da denkt man manchmal schon, dass ist etwas traurig, was da jetzt so passiert. Und Sie haben ja jetzt schon gesagt, dass das etwas an Ihre eigene Familiengeschichte angelehnt ist. Würden Sie sich denn als Familienmensch bezeichnen?

Doch, also ich hoffe es zumindest, dass ich einer bin. Aber ich denke Familienmensch ist so ein bisschen wie menschlich sein, also das ist ja positiv aufgeladen und Familienmensch ist auch positiv aufgeladen. Es gibt ja auch viele Menschen, die jetzt nicht immer positiv sind in der Familie, aber es sind vielleicht auch Familienmenschen. Und so geht es mir auch so ein bisschen, ich bin glaube ich sehr gerne in der Familie, ich bin auch sehr stark geprägt von der Familie und ich merke auch, dass ich beim Schreiben immer wieder zum Thema Familie im allgemeinen zurückkomme, ohne dass ich mir das jetzt so vorgenommen habe. Gleichzeitig merke ich aber auch oft, dass es mir einfach unglaublich auf den Wecker geht und das ich alles irgendwie nervig finde. Es ist auch im Buch so ein Kernsatz für mich, wo eine Figur sagt "Nur weil wir miteinander verwandt sind müssen wir doch keine Familie sein" und so geht es mir auch oft. Ich liebe meine Eltern und meine Schwester und so, aber manchmal denke ich auch Oh Gott, warum ist das denn Alles so schwierig und Müssen wir miteinander Zeit verbringen, weil obwohl wir verwandt sind, wäre es manchmal besser, wenn wir es nicht tun. Aber letztendlich spült es einen doch immer zurück zur Familie und man hat sich einfach gegenseitig extrem geprägt und manchmal möchte man das nicht so wahr haben, aber man merkt das dann schon, wenn man in den Spiegel guckt, dass das ein ganz wichtiger Teil von einem ist. Und bei allen Problematiken geht es sicherlich nicht ohne und manchmal geht es nicht mit, aber es muss dann einfach irgendwie doch.

Was sicherlich auch zum Thema Familie gehört: Wie kommen die zwei Wohnorte zustande, also Berlin und Delhi? 

Das kommt einfach dadurch, dass meine Frau in Delhi aufgewachsen ist und als wir uns kennenlernten - sie ist auch Autorin, schreibt allerdings auf Englisch- und dann auch geheiratet haben, war es immer ein Thema, weil für sie ist es wichtig dort zu sein, für mich ist es wichtig hier zu sein und das wir dann mehr oder weniger versuchen müssen unsere Zeit an beiden Orten aufzuteilen. Das kann natürlich nie zu 100 % gelingen. Wir versuchen also immer ein bisschen zu pendeln. Im Sommer sind wir immer eher in Berlin und im Winter eher in Delhi, das hat ja auch meteorologisch gute Gründe.

Wie passt das dann mit Lesereisen zusammen? 

Als das Buch im Herbst rauskam war klar, dass ich mehr hier sein muss und wir waren dann auch im Winter hier und haben auch unser erstes Weihnachten in Deutschland verbracht, was auch mal schön war. Aber das werde ich auf alle Fälle dann auch ein bisschen zurück geben müssen, als Zeit, die wir dann ein bisschen mehr in Delhi verbringen auch wenn ihr neues Buch dann wieder rauskommt. Das verteilt sich dann immer auch ein bisschen, aber man muss dann eben immer ein bisschen flexibel gestalten. Es ist mir mittlerweile sehr wichtig geworden. Es ist schwieriger, weil man hat halt nicht immer seinen Alltag, man wird immer wieder aus seinem Alltag gerissen, alle paar Monate und muss sich wieder neu einleben. Aber es hat auch sehr viele Vorteile unteranderem, dass man dann beide Welten viel mehr zu schätzen weiß, als wenn man nur an einem Ort die ganze Zeit lebt.

Jetzt noch was ganz anderes: Ist das Schrieben für Sie Beruf oder Berufung?

Gute Frage, weil das habe ich mich oft schon gefragt, weil im Nachhinein deutet man Sachen vielleicht auch ein bisschen um und ich habe auch dann später gedacht Ich weiß noch genau wie ich 11 Jahre alt war habe ich diese Kurzgeschichte geschrieben und in der Schule habe ich das gemacht und der Lehrer hat gesagt das ist sehr gut geschrieben, aber das Thema ist verfehlt und du kriegst eine schlechte Note. Und im Nachhinein habe ich dann gedacht, dass es schon immer klar war, dass ich mal Autor werden würde. Aber auf der anderen Seite bin ich mir nicht sicher, ob es nicht auch einfach nur das Erste war, was ich dann mal versucht habe und dem ich nachgegangen bin nach der Schule und das dann immer wieder zumindest positive Reaktionen hervorgebracht hat, zum Beispiel ein Stipendium oder einfach nur eine gute Reaktion oder eben, dass aus dem Buch auch wirklich ein Buch gemacht wurde. Es ist glaube ich wie in allen anderen Berufen, wenn man die Möglichkeit hat davon zu leben und die Leute einem da positives Feedback geben, dann sagt man sich, dass man das eben weiter macht. Ich frage mich oft wie es gewesen wäre, wenn ich keine positiven Reaktionen bekommen hätte, ob ich dann einfach gesagt hätte Warum soll ich das dann machen?. Klar habe ich das schon immer gerne gemacht, aber ob das schon immer so klar war, dass ich das mal machen würde, da bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube das es da draußen sehr viele Leute gibt, die gute Autoren wären, die es halt nicht wissen und überhaupt viele Leute, die gut wären in bestimmten Bereichen von denen sie halt nicht wissen, weil sie nie die Erfahrung gemacht haben und es nie ausprobiert haben. Mittlerweile bin ich der Sache schon so ausgeliefert, jetzt habe ich das schon so lange gemacht, wenn ich jetzt sagen würde jetzt will ich irgendwas Anderes machen, dann würde es mir wahrscheinlich relativ schwer fallen. Weil jetzt habe ich mich eine Zeit schon dran gewöhnt und jetzt muss ich einfach versuchen das durchzuziehen. Und es macht nach wie vor sehr Spaß und ich bin eigentlich froh, dass es nicht noch mehr Leute gibt die das gerne machen wollen, weil ich mag den Beruf an sich sehr gerne und ich finde ihn nicht ganz so schlimm, wie manche Autoren das so sehen, weil man leidet doch sehr. Ich finde das stimmt auch alles, aber es ist ungleich  im Verhältnis zu dem was man dafür bekommt und ich meine jetzt wirklich nicht das Geld - das Geld ist für die meisten Autoren eher so der zweite oder dritte Aspekt - sondern eher den Freiraum den man hat im Denken, aber auch in seinem Leben.

Was kann man denn von dem neuen Buch erwarten, das im Sommer erscheint, weil es ist ja was ganz Anderes, oder? 

Ja, genau es ist sehr anders als Alles davor, weil es eben keine Belletristik ist, sondern im weitesten Sinne ein Sachbuch. Es ist natürlich eine harte Abgrenzung vom Begriff her, aber ich finde es ist gar nicht so anders wenn man einen Roman schreibt. Das ist jetzt eine Mischung aus Reiseerfahrungen und biographischen Aspekten und man erzählt ja trotzdem eine Geschichte. Man sucht sich gewisse Sachen zusammen und hat eine gewisse Narrative und man entscheidet sich gewisse Dinge reinzunehmen und gewisse rauszulassen. Selbst wenn jemand ein ganz nüchternes Sachbuch, einen ganz nüchternen Bericht schreibt ist es immer so, dass man Sachen auswählt und Sachen zitiert und andere Sachen nicht. Das heißt es funktioniert eigentlich ganz ähnlich mit dem großen Unterschied, dass da das Meiste, was drin steht wirklich so erlebt wurde oder man es aus erste Hand erfahren hat und in der Hinsicht vielleicht echter wirkt auf einen Leser, als wenn er sagt Das ist ja Alles erfunden. Leute sagen gerne Das ist wahr und  Ich lese lieber Sachbücher, weil das ist die Wahrheit, das Andere ist so erfunden. Das legt nahe, dass es eine Lüge wäre und das finde ich immer so komisch, weil die Wahrheit kannst du überall finden auch in erfundenem und auch in Lügen kannst du viel Wahrheit finden. Es hat mir Spaß gemacht, weil es mal etwas Leichteres war zur Abwechslung. Ich glaube ich habe immer den Drang beides zu haben und bei der autobiographischen Geschichte habe ich Gott sei Dank keine so schlimmen übel, sodass ich auch relativ leicht erzählen konnte. Es ist ein etwas leichteres Buch, glaube ich.

Letzte Frage: Zukunftspläne? 

Also das ist einerseits, was ich so anfange ist gerade ein neuer Roman, weil letztendlich zieht es mich dort auch immer wieder hin zurück. Gleichzeitig arbeite ich auch ein bisschen an Filmprojekten, weil ich ja auch Drehbücher schreibe. Und was es da so für Möglichkeiten gibt, weil wir haben auch zu diesem Buch (gemeint ist natürlich "Die unsterbliche Familie Salz) die Filmrechte gekauft und wollen gucken, ob daraus vielleicht ein Mehrteiler werden könnte. Und vielleicht der wichtigste Plan ist, dass meine Frau schwanger ist, das heißt wir müssen jetzt über Familiengründung und diese Dinge konkreter nachdenken und uns mit dem Thema Familie noch ein bisschen mehr auseinander setzte, aber Gott sei Dank in einem eher fröhlichen Kontext.
Auch an dieser Stelle natürlich noch mal herzlichen Glückwunsch!

Ich hoffe ihr konntet ein paar interessante Dinge aus dem Interview mitnehmen. Ich hatte jedenfalls sehr viel Spaß und freue mich schon den Autor hoffentlich irgendwann noch mal treffen zu dürfen.
Ein paar Fragen zum Buch werde auch in dem Bericht zur Lesung noch beantwortet. Wenn doch noch was offen ist, schreibt es gerne in die Kommentare, vielleicht kann ich noch etwas beantworten und sonst reiche ich die Fragen weiter.

Küsschen!

  

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